Wie das Leuchten der Augen zurückkehrte
In einem Pflegeheim im Mürztal lebt seit zehn Jahren Herr F. Er ist auf einen Rollstuhl angewiesen und seine Krankheit fordert seinem Körper immer wieder Höchstleistungen ab, das Sprechen ist besonders anstrengend. Manchmal ist daher seine Stimmung getrübt und es fällt ihm schwer, sich für den Alltag zu motivieren. Dass es trotzdem gelingen kann, auch schwer kranke Menschen für eine Idee zu begeistern, zeigt diese Geschichte.
Theresia Bruckgraber mit Herrn Günther F., Frau Katharina Riegler und Herrn Gerhard Burghard.
Ich begleite Günther schon seit Ende 2014. Im Frühling erreichte mich ein Anruf aus dem Pflegeheim, eine Schwester bat um einen zusätzlichen Besuch bei Herrn F., weil es ihm nicht gut ging. Mit einem Blumenstock betrat ich sein Zimmer. Die Begrüßung war kurz und Er verhielt sich eher abweisend. Auf meine Frage, ob ich denn bleiben sollte, bekam ich ein „Nein, heute geht’s mir schlecht“ als Antwort. Ich zeigte ihm die Gartennelke und fragte, ob sie auf dem Balkon stehen dürfte. Herr F. wandte seinen Blick vom Fußboden in Richtung Nelke und plötzlich kam Bewegung in die Unterhaltung. Wer wird die Blume gießen, welcher Standort ist der richtige – so kamen wir ins Gespräch. Auf meine Frage, ob es noch etwas Besonderes gebe, das Herr F. erleben möchte, erhielt ich wie aus der Pistole geschossen seine Antwort: „Buschenschank!“ Und zwar nicht irgendeine Buschenschank, sondern eine in Großklein an der Südsteirischen Weinstraße.
Sofort begannen wir mit der Planung des Ausfluges. Hospiz-Teamleiterin und -Geschäftsleitung, das Rote Kreuz, Tochter und Pflegeheim, alle zogen mit. Herr F. kümmerte sich selbst um das Service für den elektrischen Rollstuhl, damit uns nichts mehr aufhalten konnte. Es war erstaunlich und bewundernswert, mit wie viel Eifer er an der Vorbereitung für diesen Ausflug mithalf.
An einem Samstag im September 2016 war es endlich so weit. Gegen 11 Uhr wurden wir vom Roten Kreuz beim Pflegeheim abgeholt. Herr F. saß im Steireranzug bereit und rauchte noch eine Zigarette. Dann konnte die Reise losgehen. Zwei Stunden später trafen wir bei strahlendem Sonnenschein in Großklein ein. Herr F. betrachtete die Umgebung und bemerkte verschiedene Veränderungen am Haus. Er war ja seit 15 Jahren nicht mehr hier gewesen. Erinnerungen an seine verstorbene Gattin und an Freunde kamen auf, auch ein paar Tränen sind geflossen.
Der Wirt hatte einen großen Tisch für unsere Gruppe reserviert und wir nahmen Platz. Die Familie von Herrn F. kam nach und jetzt konnte die Jause bestellt werden. Es gab Brettljause und Zweigelt. Die Portion war wirklich groß, aber es blieb nichts davon übrig. Günther konnte die Jause und diesen Nachmittag sichtlich sehr genießen. Schon schmiedete er Pläne für die nächste Fahrt – am besten gleich nächste Woche – das wäre schön.
Schweren Herzens und gut gestärkt, mit 1, 2, 3 … Vierterl, traten wir die Rückfahrt an. Von der Tochter und deren Familie verabschiedeten wir uns noch in der Südsteiermark und bedankten uns für ihr Dabeisein. Gerade das war wichtig, damit dieser Tag gelingen konnte. Müdigkeit und eine süße Schwere begleiteten uns ins Mürztal zurück. Im Pflegeheim wurden wir von den Schwestern liebevoll empfangen. Das Rettungsteam und ich verabschiedeten uns von Günther. Für mich gab es ein dankbares und herzliches „Tschüss, Schatzi“. Diese Worte wurden vom Leuchten seiner Augen überstrahlt.
Es ist für mich eine große Freude, mit so wenig einem Menschen wieder ein bisschen Sonne in den Alltag zu bringen. Die Tätigkeit im Hospizteam erfüllt mich mit unendlicher Dankbarkeit. Nirgendwo anders könnte ich diese Erfahrungen machen, die mein Leben so sehr bereichern. Mein besonderer Dank gilt Fr. Ursula Lautschan, Geschäftsführerin des Roten Kreuzes Mürzzuschlag, sowie Fr. Katharina Riegler und Hr. Gerhard Burghard, die durch ihre großzügige Unterstützung diese Fahrt erst ermöglicht haben.
Weiters bedanke ich mich herzlichst bei Fr. Mag. Sabine Janouschek und Fr. Roswitha Fraiss vom Hospizverein, mit deren Einwilligungen ich diesen unvergesslichen Ausflug organisieren und begleiten durfte.
Theresia Bruckgraber