Group 3

„Wir funktionieren einfach!“

Wenn Claudia und David Sterner auf das vergangene Jahr zurückblicken, dann steht für sie nicht, wie für viele von uns die Corona-Pandemie im Mittelpunkt, sondern ein Einschnitt in ihr Leben, seit dem nichts mehr so ist, wie es einmal war. Bis zu Mittag war dieser für die beiden unvergessliche Sonntag im Mai ein Tag wie viele andere. Die hochschwangere IT-Spezialistin und ihr Mann, ein Behindertenbetreuer, hatten zu Mittag gegessen und das Glück mit ihrem 15 Monate alten Sohn Leopold genossen. „Aber am Nachmittag“, erzählt Claudia, „hat Leopold zu brechen begonnen. Bei einem kleinen Kind grundsätzlich nichts Außergewöhnliches – das sagte man mir auch in der Kinderklinik, wo ich telefonisch um Auskunft gebeten hatte.“ An diesem Tag begann für sie und ihren Mann jedoch eine Zeit, die Claudia immer wieder mit „es war die Hölle“ beschrieb.

Leopold landete im Krankenhaus, musste notoperiert werden, wurde mehrmals nach Herzstillständen wiederbelebt. Schwere Sepsis, ein aggressiver Keim wütet im kleinen Körper. Die Ärzte können sich die Entwicklung nicht erklären, setzen aber alles für Leopold in Bewegung. Dennoch bekommen Claudia und David wiederholt zu hören: „Es sieht nicht gut aus“. Die beiden können es nicht fassen, dass das Leben ihres Sohnes an einem seidenen Faden hängen soll und glauben einfach ganz fest daran, dass er es schaffen wird. Nach zwei Monaten auf der Intensivstation hatte es Leopold tatsächlich geschafft. Er hat überlebt. Nun folgten vier Monate Rehabilitation. Dafür geht die Familie, Claudia hat während dieser Zeit Tochter Liliana zur Welt gebracht, nach Salzburg. Erst nach einem halben Jahr kehren die vier wieder in ihr Zuhause in Graz-Liebenau zurück.

Leopolds Gehirn ist geschädigt. Er leidet unter extremer Spastik, er kann nicht sitzen, nicht krabbeln, nicht essen. Über eine PEG-Sonde erhält er ketogene Nahrung, weil diese sich günstig auf seine epileptischen Anfälle auswirkt.

Zuhause steht die Familie vor einer Lawine an Herausforderungen: Arztbesuche, Therapien, unzählige Behördenwege usw. Claudia: „Die medizinische Betreuung war top. Aber der bürokratische Aufwand ist unglaublich – wir sind dauernd damit beschäftigt, Formulare auszufüllen, Unterlagen zu scannen, Anträge zu übermitteln usw. Und das, wo wir 24 Stunden für unseren Leopold da sein müssen. Und natürlich darf auch unsere Liliana nicht zu kurz kommen.“ Woher die beiden die Kraft dafür nehmen, können sie eigentlich gar nicht beantworten: „Wir funktionieren einfach!“ Doch sie betonen: „Die allergrößte Hilfe war das Kinderpalliativteam. Dort haben wir unter anderem auch erfahren, dass es im Hospizverein Steiermark ehrenamtliche Kinderhospiz-Begleiterinnen gibt. Und eine solche, Monika Dunkl, unterstützt uns jetzt gleichzeitig mit der Familienentlastung. Monika Dunkl kümmert sich speziell um unsere Liliana. Sie geht mit der Kleinen spazieren, schenkt ihr viel Aufmerksamkeit, und so haben mein Mann und ich auch ein bisschen Zeit für uns. Dafür sind wir unglaublich dankbar – es entlastet uns enorm.“ Sehr hilfreich sind auch die Gespräche mit Freunden sowie jene, die Claudia und David immer wieder miteinander führen.

Und auch wenn die Prognosen der Ärzte alles offen lassen, sehen die beiden zuversichtlich in die Zukunft: „Leopold macht Fortschritte, kleine zwar, aber er sitzt jetzt bereits in seinem Reha-Sitz, er übt am Stehständer und kann sich schon am Boden rollen. Es wird viel Zeit und Geduld brauchen, aber wir wünschen uns nichts mehr, als dass unser Sohn wieder annähernd so wird wie er war und dass er einmal ein lebenswertes Leben führen kann.“ Bleiben da sonst noch Wünsche? Claudia: „Wir vier möchten gerne so viel Zeit wie möglich miteinander verbringen können. Schön wäre einmal ein Haus mit Garten zu haben und Jobs, wo wir flexibel sein können.“ In eineinhalb Jahren möchte Claudia, eine IT-Spezialistin, wieder arbeiten. Die Kinderbetreuung wird dann vorwiegend bei ihrem Mann, einem Behindertenbetreuer, liegen. Die beiden hoffen jedoch eine spezialisierte Kinderbetreuungs-Einrichtung zu finden, wo Leopold gut aufgehoben ist, während Mama und Papa ihrer Arbeit nachgehen. Und Schwester Liliana in der Kinderkrippe ist.