Group 3

Karls schönste Reise

Zunächst war es ein Anruf wie viele andere auch beim Hospizteam Mürztal: Eine Dame, sie hieß Christa, bat um Unterstützung. Für ihren schwer kranken Mann Karl gab es keine medizinische Hilfe mehr. Christa wollte ihm ein würdevolles Sterben zu Hause ermöglichen. Für Hospizbegleiterin Roswitha Fraiss entwickelte sich diese Begleitung dann aber zu einer unvergesslichen Geschichte.

Nach den ersten Treffen stellte sich heraus, dass da auch noch etwas zu erledigen war. Etwas, das Karl sehr viel bedeutete. Seine Tochter hat einen kleinen Reiterhof, zirka eine Autostunde entfernt. Vor seiner Erkrankung verbrachte Karl dort viel Zeit. Es wurden Stall und Haus saniert, das Brennholz gemacht, es gab immer etwas zu tun. Seit fast einem Jahr kam Karl nicht mehr auf den Hof, und das fehlte ihm sehr. Da ein Ausflug im Privat-PKW leider nicht mehr möglich war, motivierte die Hospizbegleiterin zu einer Spezialfahrt mit einem Rettungsauto! Schnell begann man zu planen und zu organisieren, und der Samariterbund gab die spontane Zusage für Rettungswagen und Sanitäter. Aber würde es Karls Gesundheitszustand überhaupt erlauben?

Ende September war es dann so weit. Herr Reiterer vom Samariterbund Langenwang holte uns ab, und unsere kleine Reise begann. Für Karl war der Ausflug eine Überraschung – er war sichtlich ergriffen! Während der Fahrt sprach er kaum, er wirkte überwältigt und lächelte immer wieder. Nach einer Stunde problemloser Fahrzeit kamen wir ans Ziel. Von der Familie herzlich empfangen war die Begrüßung ein bewegender, tränenreicher Moment für uns alle. Im bereitgestellten Krankenbett konnte sich Karl von der Fahrt erholen. Glückselig schlief er sofort ein. Später saßen wir dann im Garten in der angenehm warmen Herbstsonne. Nach Kaffee und Kuchen erkundete Karl den Reiterhof. Das Brennholzlager wurde genauso besichtigt wie der Stall. Zufriedenheit über das Gesehene spiegelte sich in seinem Gesicht wider. Ein Wildentenpaar marschierte aufgeregt schnatternd zwischen uns hin und her. Dann ging es weiter auf die Pferdekoppel. Langsam näherten sich die Pferde Karl, der im Rollstuhl saß. Er redete ruhig mit ihnen. Man konnte seine tiefe Dankbarkeit über das Wiedersehen förmlich spüren. Es waren herzerwärmende, stille Momente, die unvergesslich bleiben. Es schien, als ob die Zeit stillsteht. Ein letzter Blick noch über die Weide, als die Sonne langsam unterging. Wieder zurück gab es noch eine zünftige Heurigenjause mit der gesamten Familie und lieben Bekannten. Es war eine kurze, fröhliche, beinahe unbeschwerte Zeit, in der sogar gescherzt und gelacht wurde und in der Karls Erkrankung in den Hintergrund rückte. Dank dem guten Zusammenwirken aller Beteiligten wurde Karl sein letzter Herzenswunsch erfüllt!
Roswitha Fraiss, Hospizteam Mürztal