„Das Lachen der Heimat“
Die Ärzte in Armenien machten der schwerkranken Lusine Mut und Hoffnung, nach Österreich zu gehen. Dort hätte man gute Medikamente gegen die großen Schmerzen, und Heilung wäre vielleicht möglich. Lusines Familie verkaufte das Haus, in dem sie wohnten, um die Reise ins ferne Österreich zu bezahlen. Das Leben der Mutter stand auf dem Spiel. Alles sollte geschehen, damit sie gerettet würde. Im Frühjahr 2021 kam Lusine in Graz bei den Elisabethinen an. Sie wurde in der Palliativstation aufgenommen. Schon bald jedoch stellte sich heraus, dass man nur schmerzlindernd helfen konnte. Die Krankheit – der Brustkrebs – war schon zu weit fortgeschritten. Lusine war verzweifelt und der Aufenthalt im Krankenhaus, wo niemand Armenisch sprach, wurde zur Qual. Ein russischer Übersetzer wurde gefunden und der Weg ins VinziDorf-Hospiz geebnet.
Die Armenierinnen Gayene und Lusine mit Hospizbegleiterin Angelika Döller (v.l.)
In der familiären Umgebung, die das Markenzeichen dieser segensreichen Einrichtung der Elisabethinen nun einmal ist, fühlte sich Lusine bald wohl. Fehlte nur noch jemand, der oder die ein echtes Stück Heimat zu ihr bringen konnte. – Gayane fiel mir ein. Sie ist eine junge armenische Musikerin, die schon einige Zeit in Graz lebt und wirkt. Sie war mir in guter Erinnerung durch ihr mitfühlendes, fröhliches und unkompliziertes Wesen.
Schon der erste Besuch Gayanes bei Lusine war die helle Freude. Viele Besuche folgten. Jedes Mal brachte Gayane selbstgemachte armenische Spezialitäten mit: dünnes Fladenbrot, Kuchen und pikante Küchlein. Und Freude und Lachen breiteten sich aus. Manchmal hatte Lusine einen leeren Blick – über Stunden. Fern ihrer Familie – die Unmöglichkeit, ihren Sohn zu holen, wegen der bürokratischen Hürden – den Tod vor Augen, so quälte sie sich durch Tage und Nächte. Der Schlaf war nicht gnädig und blieb oftmals auch fern. Die ehrenamtlichen HospizbegleiterInnen waren mit Nachtwachen zur Stelle, um Lusine in ihrem Elend nicht alleine zu lassen, und um Jasminka, die 24-Stundenpflegerin, zu entlasten.
Am Ende des Sommers flog Gayane nach Armenien, um ihren Urlaub bei der Familie zu verbringen. Auch mit Lusines Familie hielt sie Kontakt. Und so war es möglich, dem Wunsch ihrer Familie zu entsprechen: Lusines Körper wurde nach Hause geholt, nachdem sie, gut umsorgt, den Weg in die ewige Heimat gegangen war.
(Angelika Döller)
Angelika Döller ist ehrenamtliche Hospizbegleiterin (Team Graz) und leitet auch „kultursensible Begleitungen“.
Mit den „kultursensiblen Begleitungen“ erweitert der Hospizverein Steiermark sein Begleitangebot. Für Menschen mit Migrationshintergrund besteht damit die Möglichkeit, dass sie entsprechend ihrer kulturellen und religiösen Bedürfnisse in ihrer jeweiligen Muttersprache begleitet werden. Denn es ist vor allem die Muttersprache, die den Menschen am Ende des Lebens ein Stück der einstigen Heimat zurückbringt und für sie wohltuende Intimität bedeutet.