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„Habe keine Angst mehr vor dem Tod!“

„Da war immer dieses intensive, unangenehme Gefühl in mir, eine tiefe Angst“, beschreibt Hospizbegleiterin Renate Berger ihren einstigen Zugang zu den Themen Sterben und Tod. Damit ging es ihr wohl wie vielen Menschen – und sie hat wie viele Menschen das für sie Unangenehme verdrängt und weggeschoben. Doch wie es niemand kann, konnte auch sie diesem Bereich nicht völlig ausweichen. Vor allem als Kindergartenpädagogin war sie immer wieder mit Tod und Vergänglichkeit konfrontiert: „Da haben Kinder Verluste erlebt. Sie haben davon erzählt, dass die Oma verstorben ist oder ein Nachbar – oder auch, dass sie tieftraurig sind, weil der Hund eingeschläfert werden musste. Mir ist es mit diesen Themen und den damit verbundenen Emotionen nie wirklich gut gegangen. Ganz besonders gemerkt habe ich das dann, als meine beiden Opas verstorben sind“, blickt die 35-jährige auf eine Zeit zurück, in der Trauer, Sterben und Tod sie vorwiegend negativ belastet haben. Und sie erzählt: „Mit dem Ableben meiner Großväter hatte ich lange zu kämpfen. Weit mehr als andere in der Familie – und mir wurde schon gesagt, ich solle jetzt dann endlich aufhören mit der Heulerei. Da ist mein Entschluss gefallen. Ich wollte das Thema nicht mehr weiter verdrängen und als Belastung mit und in mir herumtragen, sondern mich ihm aktiv stellen. Ich wollte allen voran für mich selbst gut mit dem Thema umgehen können aber auch für meine Arbeit davon profitieren.“

Renate Berger, Hospizbegleiterin im Team Anger     (Foto: Kasofoto)

Nachdem ihre Tante Hospizbegleiterin ist, war es für Renate Berger naheliegend, sich bei ihr zu informieren. „Sie hat mir viel erzählt, gute und interessante Einblicke in diese Arbeit gegeben – auch davon, was das Begleiten ihr persönlich bringt und gibt.“ Damit war für die junge Frau rasch klar, dass sie eine Hospizgrundausbildung machen wird. 2017 war es dann so weit. Obwohl: „Für mich war absolut klar, dass ich das nur für mich selbst mache. Ich habe zunächst überhaupt keinen Gedanken daran verschwendet, hier als Begleiterin für andere Menschen tätig zu sein.“ Gekommen ist es dann allerdings, wie so oft im Leben, ganz anders.

Schon während der Ausbildung hat Renate Berger gemerkt, wie erfüllend diese Tätigkeit sein kann: „Ich habe während der Ausbildung ganz tief in mich hineintauchen und vieles herausholen können. Da hat es in mir intensiv zu arbeiten begonnen. Ich habe unglaublich wachsen können. Und ich habe gemerkt, dass die Angst vor dem Tod und das Verdrängen plötzlich verschwinden.“ Als die Weizerin dann bereit für die Praxis war, wollte sie sich gleich auf den Kinderbereich stürzen. Da das in dieser Ausbildungsphase jedoch noch nicht möglich ist, ist sie im Hospizverein geblieben und hat Schritt für Schritt die vorgeschriebenen Abschnitte absolviert. Dabei ist sie auch Schritt für Schritt tiefer in die Begleitthematik hineingewachsen – und mittlerweile mit Leib und Seele Begleiterin im Hospizteam Anger: „Diese tiefe Beziehung und Bindung, die man zu einem Menschen aufbaut, der am Ende seines Lebens steht, ist etwas Unvergleichbares. Ja es ist ein Segen, das erleben und empfangen zu dürfen. Es ist ein Geben und Nehmen in einer Tiefe, die absolut erfüllend ist,“ schwärmt die junge Begleiterin. Und erzählt aus der Praxis: „Ich werde nie die unglaubliche Lebenseinstellung einer 17-jährigen vergessen, die ich kurz vor dem Sterben kennenlernen und begleiten durfte. Das hat mich unglaublich beeindruckt und geprägt. Da bekommt man etwas mit, das einem Tore öffnet.“

Dass die empathische Frau sich trotz Fulltime-Job und mit erst 35 Jahren so intensiv auf diesen Bereich einlässt, löst in ihrem Umfeld durchaus konträre Reaktionen aus: „Was tust du dir da an? Das ist vergeudete Zeit,“ zeigen sich die einen verwundert und wenig verständnisvoll. „Wahnsinn, dass du das machst“ und “Hut ab“ zollen ihr die Anderen Bewunderung und Respekt.

Für Renate Berger ist ihr Ehrenamt als Hospizbegleiterin trotz aller Herausforderungen aber alles andere als vergeudete Zeit: „Die Herzensbildung und die Herzensebene kommen in unserer Gesellschaft generell zu kurz. Ja, sie gehen mehr und mehr verloren. Beim Begleiten schwingt das aber ganz stark mit. Im Dasein, im kompletten Einlassen auf den anderen, im Eintauchen in sein Erzählen, im Zuhören dringt man in eine Ebene ein, die unvergleichbar ist. Und wenn man da wieder raus geht, hat man Wertvolles für den anderen gegeben, nimmt aber auch unendlich viel für sich selber mit. Das ist einzigartig.“

Damit hat sich für Renate Berger auch ihre eigene Sicht auf das Sterben komplett verändert: „Die Angst ist weg. Ich weiß, da ist kein endgültiger Tod. Es stirbt ein Körper, aber die Beziehung und Bindung bleibt. Das ist jetzt mein Zugang zum Sterben. Aber jeder hat einen anderen. Wichtig ist, einen guten Zugang zu finden – einen ohne Angst und Panik und Verzweiflung. Dabei helfe ich. Und wenn ich merke, dem anderen ist es gelungen, diesen guten Zugang für sich zu finden, dann erfüllt mich das mit Freude pur. Und ich weiß: Nur weil ich selbst die Angst verloren haben, kann ich jetzt anderen die Angst bewältigen helfen.“