Macht ihr das bei mir dann auch so schön?
Zu Besuch im Caritas Pflegeheim in Fernitz – einem Haus, das sich für das Hospizgütesiegel entschieden hat und damit in allen Bereichen die Hospizidee lebt. Das ist an allen Ecken und Enden seh- und spürbar.
Der Winter zeigt sich an diesem Freitagnachmittag noch einmal von seiner grauen und fröstelnden Seite. Dick in den Mantel gehüllt, führt der schnelle Schritt zielstrebig entlang einer schmalen Gasse. Das Haus ist schnell gefunden, rasch geht es durch einen Garten, der noch ganz im Winterschlaf liegt, zur großen gläsernen Eingangstür, aus der warmes Licht nach außen strahlt. Beim Eintritt lachen dutzende Gesichter entgegen. Freundliche, strahlende Gesichter – mit lustigen Kulleraugen, dicken roten Nasen und fröhlich zopfigen Haaren. Ein Bild, das sich einprägt. Und das im Nu die Stimmung erhellt. Es ist Fasching, und Frau Silvia hat das Foyer des Caritas Pflegeheims in Fernitz mit Clowngesichtern in ein buntes Haus verwandelt.
Eine wohlig angenehme Brise nach Kaffee schiebt sich unter der Nase vorbei. Es ist hell. Es ist freundlich. An einem Tisch spielt eine junge Frau, die freiwilligen Dienst macht, mit einer Dame und einem Herrn Mensch-ärgere-dich-nicht. Überdurchschnittlich groß sind sie, die Würfel und Kegel. Vor dem großen Fenster sitzt eine Frau und löffelt genussvoll ein Joghurt. Auf einem gelben Sofa kuscheln zwei entzückende Puppen. Dorschfilet mit Kartoffelsalat – das Mittagsgericht, schwarz auf weiß zu lesen auf einer Tafel. Eine Wand ist den künstlerisch begabten Bewohnern und Bewohnerinnen des Hauses gewidmet – Bäume, Blumen, Schmetterlinge. Eine Wand zeigt das Hospizteam: ein großer, bunter Schmetterling mit Köpfen von Menschen, die da sind.
Da sind an diesem Nachmittag auch Hospizbegleiterin Eveline Pfiszter und Pflegeassistent Christian Marinka. Sie sind Teil des Hospizteams in diesem Haus, das seit 2019 das Gütesiegel „Hospiz und Palliativ Care im Pflegeheim“ trägt. „Im Herbst wird das Gütesiegel erneuert und verlängert“, erzählt Christian, der schon seit 13 Jahren in diesem Haus arbeitet. Eigentlich stammt er aus der Elektrobranche. „Aber ich habe nebenbei immer schon in einem Begegnungszentrum mitgeholfen. Bin mit älteren Menschen spazieren oder einkaufen gegangen. Da habe ich meine Leidenschaft für diese Arbeit entdeckt und am Uni-Klinikum Graz eine Ausbildung zum Pflegeassistenten gemacht. Mein Praktikum führte mich in das Caritas Pflegeheim hier in Fernitz – da habe ich sofort Feuer gefangen. Alles war so hell, so groß, so grün. Die Vorgesetzten, die Kollegen, die Bewohner, die Atmosphäre, es war alles top. Da habe ich mich auf Anhieb wohl gefühlt. Seitdem bin ich hier. Und bald schon hat mich auch das Thema Hospiz zu interessieren begonnen, das ja hier eine zentrale Rolle spielt.“
Rosen zum Frühstück
Nicht zuletzt dank Eveline Pfiszter, die so wie Helga Scheidel als ehrenamtliche Hospizbegleiterin im Hause im Einsatz ist. Und das seit mittlerweile 11 Jahren. Auch ihre Mutter war einst Bewohnerin in diesem Pflegeheim. Das war unter anderem auch einer der Motivationsgründe, warum Eveline in ihrer Pension als Hospizbegleiterin tätig sein wollte. Die Ausbildung hat sie nach dem Tod ihrer Schwester gemacht, die im Albert Schweitzer Hospiz in Graz verstorben ist. „Für mich ist das hier keine Sterbe- sondern eine Lebensbegleitung“, betont Eveline ihren ganz speziellen Zugang zu ihrer Arbeit. Einmal pro Woche kommt sie ins Haus, geht durch die Zimmer. Ist für jeden da – und kümmert sich speziell um jene, die es gerade besonders brauchen. Das hängt dabei ganz von der jeweiligen Person ab – singen, reden, vorlesen, Hand halten, da sein. Manchmal entstehen ganz enge Bindungen über lange Zeit, manchmal fragt jemand einfach: „Kann ich zu dir kommen, wenn es soweit ist?“ Wenn es soweit ist, wenn es speziellen Bedarf gibt, kann Eveline auch jederzeit angerufen werden. Auch für Angehörige ist sie jederzeit da. „Die brauchen mich oft ganz besonders“, gibt die engagierte und empathische Begleiterin Einblick in ihre Arbeit und erzählt: „Es gab einen Sohn, der eine sehr starke Bindung zu seiner Mutter hatte und sie sehr oft besuchte. Als die Frau zum Sterben war, war er jeden Tag bei ihr. Aber er hat sich schwergetan, konnte nicht loslassen. Wir haben einmal lange darüber geredet, auch darüber, dass es hilfreich sein kann, den Tränen freien Lauf zu lassen. Er ist dann lange bei seiner Mutter gesessen und hat geweint. Sie hat liebevoll seine Wange gestreichelt. Danach hat er sich bei mir bedankt und gemeint, dass er seine Mutter jetzt gehen lassen könne. Das war dann auch für mich wunderschön.“
Wunderschöne Momente erleben Eveline und Christian viele im Caritas-Pflegeheim in Fernitz. Vor allem dann, wenn sie anderen Freude machen. Wie etwa einer Frau, die vor dem Sterben noch zum Grab ihres Ehemannes wollte: „Wir haben sie hingebracht. Sie hat dort lange bitterlich geweint.“
Eine Frau, der man das Frühstück besonders schön – mit einer Rose – serviert hat, meinte gerührt: „Man ist man zum Sterben und wird noch so rundum verwöhnt.“ Und eine Bewohnerin, die an der Verabschiedung einer Verstorbenen im Haus teilgenommen hat, fragte gerührt: „Wird das bei mir dann auch so schön gemacht?“
Auf Ewig in Erinnerung
Ja, es wird bei jedem so schön gemacht. Denn auch rund um das Lebensende und danach gibt es im HPCPH-Haus viele würde- und stimmungsvolle Zeremonien. Ganz auf die Wünsche der BewohnerInnen abgestimmt. „Wir haben eine Bewohnermappe, wo wir Vorlieben festhalten – was jemand gerne trinkt, welchen Duft er oder sie mag oder welche Musik gerne gehört wird. Kann die Person nicht mehr sprechen, können wir auf diese Informationen zurückgreifen und ein entsprechendes Wohlfühl-Ambiente schaffen“, erzählt Christian von der besonders individuellen Umsorgung der BewohnerInnen. Und Eveline ergänzt: „Da können Klangschalen zum Einsatz kommen. Da wird, auf Wunsch mit den Angehörigen, gemeinsam gesungen.“ Auch ein Seelsorger kann jederzeit ins Haus geholt werden.
Macht sich ein/e HeimbewohnerIn auf die Reise, wird an der Tür ein großer Schmetterling angebracht. Dann wissen alle vom Pflege- bis zum Putzpersonal: ruhig sein, leise eintreten, sich entsprechend verhalten!
Verstorbene werden mit einem schön gestalteten Sterbetuch bedeckt – im Haus wird gerade ein neues angefertigt. Es gibt einen eigenen Andachtsraum, wo sich BewohnerInnen, Personal und auch Angehörige verabschieden können. „Wir lassen Luftballons mit dem Namen des oder der Verstorbenen steigen. Bei jedem Begräbnis sind auch MitarbeiterInnen des Pflegeheims dabei, um dem ehemaligen Bewohner seine letzte Ehre zu erweisen“, schmückt Christian eines der Abschiedsrituale in einfühlsame Worte.
Vergessen wird im Haus in Fernitz, das das Hospiz-Gütesiegel trägt, übrigens niemand – auch nicht nach dem Tod. „Für jeden Verstorbenen wird ein Stein mit seinem Namen an unserer Gedenkstätte abgelegt. Es ist immer ein besonderer Stein mit einer Geschichte. So bleiben die Leute in Erinnerung und bei uns“, erzählt der Pflegeassistent und Hospizbeauftragte Christian Marinka.
Silvia ruft zur Bingo-Runde. Ein junger Mann drückt Kaffee aus dem Automaten und setzt sich zu seinem betagten Vater für ein Plauscherl an den Tisch. Das Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel wird für heute in die Schachtel geräumt.
Der Besuch geht zu Ende. Die Glastür fällt hinter dem Rücken leise ins Schloss. Ein wunderschön und bunt gestalteter „Jungbrunnen“ zaubert noch einmal ein Lächeln ins Gesicht, bevor der Weg durchs Gartentor wieder hinaus in den lauten Alltag führt. Aber mit gutem Gefühl und dem Gedanken im Kopf: Wie schön!
(Johanna Vucak)
Die Hospizidee wird mit vielen kleinen Details gelebt und auch sichtbar gemacht.