Ja, ich will!
Bei Alois und Barbara ist die Liebe just im Seniorenheim entbrannt. Jetzt haben die beiden einander sogar die Ringe angesteckt. Sie erzählen, wie alles begann, warum es für sie wichtig war, ihr Liebesglück mit dem „Ja-Wort“ zu besiegeln.
Am Cover der DaSein 2/2024: (Foto: Abenteuer Alter/lueflight)
„Es geht schon, Weiwi“, sagt Alois mit sanfter Stimme und streicht dabei der Frau an seiner Seite zärtlich über die Wange. Die Frau an seiner Seite ist Barbara – und seit es sie gibt, ist sein Leben wieder bunt und erfüllt und sinnvoll wie in jungen Jahren. Alois ist 76, seit drei Jahren wohnt er in einer Pflegeeinrichtung. Krankheit und einige schwere Unfälle machen es nicht mehr möglich, dass er sich in seinen eigenen vier Wänden versorgt.
Alois hat auch Probleme mit den Augen, er sieht mittlerweile sehr schlecht. „Hier im ,Gepflegt Wohnen‘ bin ich bestens versorgt. Aber mir hat trotzdem etwas gefehlt. Im Speisesaal bin ich oft ganz alleine am Tisch gesessen. Die Abende waren manchmal sehr einsam. Bis dann eines Tages eine Pflegerin zu mir gesagt hat: ‚Herr Alois, ich habe da jemanden für Sie.‘
Barbara und Alois haben ihre große Zuneigung mit einer Ringsegnung besiegelt – und sie so für jeden sichtbar gemacht. (Foto: Abenteuer Alter/lueflight)
Es war Barbara. Sie war neu im Heim und ab dem ersten Tag meine Tischkollegin“, erzählt Alois mit leuchtenden Augen. Und nicht nur das: „Sie hat so unglaublich lieb gelacht; ich habe sofort gesehen, das ist die Richtige für mich.“ Und auch bei Barbara, 79, war es Sympathie auf den ersten Blick: „Er hat mir sofort gefallen. Ich kann gar nicht sagen, was es genau war. Ich mag den Alois einfach als Ganzer – so wie er ist.“
Und der ist einer, der gerne Nägel mit Köpfen macht, deshalb hat er seine Zuneigung auch gleich ganz offen gezeigt. „Und so hat halt das Eine das Andere ergeben“, lacht der 76-Jährige verschmitzt, während Barbaras Bäckchen sich etwas rosa färben und sie wie ein schüchterner Teenager den Blick senkt.
Auch Hausleiter Mario Eberle freute sich mit dem Brautpaar, das an ihrem großen Tag viel Unterstützung und Zuspruch bekam. (Foto: Abenteuer Alter/lueflight)
In die kurze Stille hinein hebt die verliebte Seniorin aber plötzlich den Kopf und erzählt ganz offen: „Da haben dann Zimmerbesuche angefangen. Er ist zu mir gekommen. Und da ist er dann oft auch eingeschlafen und ich musste ihn wecken. Das wollte ich nicht; er hat ja so gut geschlafen. Deshalb bin dann ich zu ihm. Anfangs kehrte ich noch in der Nacht zurück – bald bin ich jedoch bis zum Morgen geblieben.“ Die neu entflammte Liebe blieb natürlich nicht lange geheim. Es wurde gemunkelt. „Die Heimleitung hat uns da aber sehr unterstützt und dafür gesorgt, dass wir ein gemeinsames Zimmer bekommen. Mittlerweile haben wir sogar richtige Ehebetten. Damit war dann auch die Tuschelei beendet. So gut wie zumindest. Denn so mancher reagiert leider bis heute ziemlich geistig kleinkariert auf unsere Liebe“, erzählt Alois und zuckt gelassen mit den Schultern.
Dennoch haben Barbara und Alois nicht zuletzt auch deshalb beschlossen, das Ganze offiziell zu machen und mit einer Hochzeit, konkret einer Ringsegnung, zu besiegeln. „Und das obwohl ich mir nach meinen 55 Ehejahren geschworen habe, nie wieder zu heiraten“, lacht Barbara. Und meint: „Die Idee ist ja vom Alois ausgegangen. Aber ich habe keine Sekunde gezögert und sofort Ja gesagt.“ Alois rüttelt an seinem Rollator und setzt heiter hinzu: „Auf die Knie konnte ich beim Heiratsantrag nicht gehen, mein Knie ist ja hin.“
Die Liebe ist groß, doch der Körper teils eben doch schon schwach. Und so ließ sich der Entschluss ohne entsprechende Hilfe natürlich nicht umsetzen. Alois vertraute seinen Plan deshalb Hansi, dem Hospizbegleiter, an, mit dem ihn ohnehin ein Verwandtschaftsverhältnis verbindet und der schon viele Jahre leidenschaftlich als Ehrenamtlicher in der Pflegeeinrichtung tätig ist. Und der war sofort bereit, dem frischverliebten Paar abseits seiner ehrenamtlichen Tätigkeit zu helfen: „Zuerst einmal habe ich die Verwandten informiert und die Heimleitung. Schwester und Tochter von Alois waren von der Idee hellauf begeistert und auch Barbaras Tochter in Wels war mit dem ungewöhnlichen und unerwarteten Schritt ihrer Mutter sofort einverstanden.“ So stand dem großen Tag eigentlich nichts mehr im Wege! Kirche, Seelsorgerin, Lokal für das Essen, Hochzeitstorte, Brautstrauß – nichts durfte fehlen. Und im Sinne der Nachhaltigkeit hat Barbara sogar ihre Eheringe noch einmal verwendet: „Wir haben den Namen rausgelasert und den vom Alois eintragen lassen. Und bei mir war eh nur das Datum zu ändern“, erzählt sie mit Blick auf die funkelnden Zeugen ihrer Verehelichung, die sie nun beide stolz am Finger tragen. Das Rote Kreuz hat im Rahmen seiner Aktion „Wir erfüllen Herzenswünsche“ die beiden dann am „schönsten Tag ihres Lebens“ in die Pfarrkirche nach Wagna gebracht. „Da ist der Alois dann noch einmal ganz nervös geworden, und ich habe gesagt, dass er zur Beruhigung eine rauchen gehen soll“, erzählt Barbara, dass sie gerne noch eine Zigarettenlänge lang auf den großen Moment gewartet hat.
Zahlreiche Gratulanten stellten sich ein und feierten mit Barbara und Alois ihren großen Tag. (Foto: Hospizverein)
Auch Heidi Fuchs, Leiterin des Leibnitzer Hospizteams hat sich als Gratulantin eingefunden und dem Brautpaar einen Blumengruß überreicht. Nach der Ringsegnung ging es mit einer Rikscha, gezogen von Hospizbegleiter Hansi, zum festlichen Mahl – mit Musik und Tanz. „Ich sitze ja im Rollstuhl und der Alois braucht einen Rollator, da war nicht viel mit Tanzen – aber auch beim Zuschauen hatten wir großen Spaß“, erinnert sich Barbara zurück. Und erzählt: „Um 17 Uhr waren wir wieder im Heim. Und am Abend haben wir uns dann ,Wenn di Musi spielt‘ im Fernsehen angesehen.“ Dann schweigen die beiden. Barbara blickt zu ihrem Alois hinüber, plötzlich gibt sich jeder einen heftigen Ruck, sie fallen sich in die Arme und küssen einander. Und jetzt? „Jetzt sind wir glücklich – und der Gesprächsstoff schlechthin. Sogar das Magazin „Abenteuer Alter“ hat einen großen Beitrag über uns gebracht. Viele sprechen uns an, manche gratulieren und freuen sich mit uns. Andere weniger. Das ist halt so“, sagt Alois nüchtern.
Hospizbegleiter Hansi (2.v.r.) war der Engel, der die Hochzeit arrangiert hat. (Foto: Hospizverein)
Die beiden halten einander an der Hand, schauen in die Luft, schweigen, blicken einander an – lange und innig und mit leuchtenden Augen. Und meinen dann: „Wir wünschen uns halt ein gesundes, langes Leben. Wir wollen ja gemeinsam recht alt werden.“ Dann schweigen sie wieder und in die Stille, die vor Liebe und Romantik nur so knistert, wirft Alois dann noch mit einem schelmischen Grinsen ergänzend ein: „Und g‘scheiten Sex. Denn das Mittagessen kann ja nicht der Höhepunkt eines Tages sein!“.
(Johanna Vucak)