Wiedersehen im Hospizverein – und ein unvergesslicher VW Käfer
Eine Geschichte über ein kleines Weihnachtswunder, das eigentlich mitten im brütend heißen Sommer des vergangenen Jahres seinen Anfang genommen hat. Da ist nämlich ein Brief mit ganz besonderem Inhalt ins Büro des Hospizvereins geflattert – von Ullrich Swoboda aus Hamburg, der auf der Suche nach seiner Großcousine Henriette Fetz war. Bei Andrea, einem Engerl im Büro, läuteten sofort alle Glocken. Henriette Fetz hatte nämlich lange im Hospizverein mitgearbeitet und Andrea wusste, wo die Dame jetzt zu finden war. Der Brief wurde übergeben – dem Wiedersehen stand nichts mehr im Wege. Kurz vor Weihnachten sitzen Henriette und Ullrich dann tatsächlich im Hospizbüro gegenüber, schwelgen in Erinnerungen und erzählen einander unvergessliche Erlebnisse aus den gemeinsamen Kindertagen.
Denn einst waren die Sandkastenfreunde im wahrsten Sinne des Wortes ein Herz und eine Seele und haben viele Sommer mit unvergesslichen Stunden miteinander verbracht. „Das war damals so üblich in den wirtschaftlich nicht so rosigen Zeiten, dass die Kinder in den Ferien auf die Verwandtschaft aufgeteilt wurden. Und so bin ich immer wieder zur Großmutter nach Leoben gekommen. Aber nicht nur im Sommer, zu jeder Jahreszeit waren das in der Steiermark großartige Zeiten“, erzählt Ullrich Swoboda, der mittlerweile in Hamburg seine Heimat gefunden hat. Und er erinnert sich: „Im Sommer wurde der VW Käfer bis oben vollgepackt, dann ging es raus an den Leopoldsteinersee. Der glasklare See, die grünen Wiesen, das war wunderbar. Die Familie hat Tarock gespielt – das hat mich immer fasziniert. Genauso wie die roten Fingernägel von Tante Edith. Die haben mich als Bub enorm beeindruckt. Ebenso wie die unglaubliche Herzlichkeit – man saß in der Küche, ratschte, es waren immer viele Leute auf engstem Raum beisammen. Es herrschte eine durch und durch wohlige Atmosphäre. Das vergisst man nicht.“
Wie auch die Mannerschnitten: „Als ich zum ersten Mal in eine hineingebissen habe, war mir bewusst, was damit gemeint ist, dass ,Manna‘ vom Himmel fällt“, schwärmt Ullrich und meint: „All das war für mich einfach eine andere, eine ganz spezielle Welt, an die ich mich immer erinnern werde. Die Tante ist für mich zu einem Symbol für eine starke Frau geworden. Beeindruckend, wie sie in diesen Krisenzeiten ihre Frau gestanden hat“.
Ein VW-Käfer mit der Nummer PB – CA 56
Mit dem Tod der Großmutter sind aber auch die Kontakte weniger geworden. Österreich ist für Ullrich Swoboda aber dennoch ein Sehnsuchtsland geblieben – es verschlug ihn beruflich immer wieder nach Wien und mit der Familie gehörten Urlaube in rot-weiß-rot zum Fixprogramm. Und: „Selbst Heimreisen von Italienurlauben führten oftmals über die Steiermark – speziell über Leoben, wo dank Großmutter und Tante – und natürlich Henriette – unvergessliche Kindheitstage verbracht wurden. Nach Österreich fahren war und ist für mich einfach großartig.“
Henriette Fetz hatte sich inzwischen im Ennstal niedergelassen. „Die letzte Nachricht von Ullrich war seine Hochzeitsanzeige – das ist mittlerweile mehr als 15 Jahre her. Die habe ich allerdings verlegt und so hatte ich auch keine Kontaktdaten mehr“, erzählt die ehemalige Hospizmitarbeiterin, wie es zur langen Funkstille zwischen den beiden kam. Doch Ullrich haben die Gedanken an die gemeinsame Zeit nicht losgelassen. Er wusste auch, dass sich seine Großcousine im Hospizbereich engagiert. Mit dieser Information hat er schließlich zu recherchieren begonnen. Im Internet stieß er dabei auf ein Foto des Hospizteams Liezen – und erkannte Henriette wieder. Das Foto war jedoch schon einige Jährchen alt und Henriette, ehrenamtliche Begleiterin im Team Liezen, war mittlerweile im Ruhestand und in Graz zuhause.
Doch Ullrich ließ nicht locker. Er schrieb einen Brief an die Landesgeschäftsstelle des Hospizvereins in Graz. Damit schließt sich nun der Kreis. „Ich habe Ullrich gleich angerufen, nachdem Andrea mir den Brief übergeben hat – und bereits im Oktober hat er mich zum ersten Mal besucht“, erzählt Henriette voll Freude. Damals stand fest: „Jetzt bleiben wir in Kontakt“.
Kurz vor Weihnachten treffen die beiden einander bereits wieder und besuchen auch das Hospizbüro. Dort lassen sie die alten Zeiten wieder aufleben – da wird von Tantes Gulasch geschwärmt, da erinnert man sich bis ins Detail an Kleidungsstücke oder Möbel. Sogar die Autonummer des VW-Käfer hat Henriette nach 60 Jahren noch im Kopf: „PB-CA 56.“
Es werden die nächsten Tage bis zu Ullrichs Abreise geplant – Besuch der Grazer Weihnachtsmärkte, Familien-Filme anschauen – mit Verwandten, die es teils leider nicht mehr gibt. Sie plaudern, sie ratschen, sie lachen, sie schwelgen in Nostalgie und vergessen darüber Zeit und Raum. So ist das Hospizbüro wenige Tage vor dem Heiligen Abend auch zu einem Ort für ein kleines Weihnachtswunder und der Wiedersehensfreude geworden.