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Palliativversorgung „to go“

Am Krankenhaus der Elisabethinen in Graz gibt es eine von nur vier Palliativambulanzen in Österreich. Wir sprachen mit der Leiterin, Magdalena Demuth, Allgemein-, Palliativ- und Schmerzmedizinerin sowie Manualtherapeutin, über das Angebot dieser Einrichtung, die Rolle der Hospizbegleiter*innen und ihre Motivation, in diesem Bereich zu arbeiten.

Magdalena Demuth

Was war ausschlaggebend dafür, sich beruflich im Palliativbereich zu verwirklichen?
Man fragt sich im Rahmen der Ausbildung natürlich: Wo will ich hingehen? Wo kann ich mich angekommen fühlen? Da war für mich rasch klar: Wenn in einem Krankenhaus, dann möchte ich auf einer Palliativstation arbeiten. Mein Opa war auf einer, und ich war fasziniert davon, wie man dort mit Menschen umgeht, wie viel Zeit, wie viel Augenhöhe es dort gibt. Und absolut motivierend war auch meine Mentorin, Oberärztin Julijana Verebes. Eine beeindruckende Frau und Medizinerin. Sie hat sich bei Patient*innen auf die Bettkante gesetzt und aus dem Herzen heraus gefragt „Wie geht es Ihnen?“ Und sie hat sich dann vor allem auch für die Antwort interessiert.

Was wird auf der Palliativambulanz konkret angeboten und gemacht?
Die Ambulanz gibt es seit 1. Oktober 2024, sie ist eine von nur vier solchen Einrichtungen in Österreich. Wir leisten hier quasi Pionierarbeit, denn im österreichischen Krankenanstalten-Gesetz gibt es diese Struktur noch nicht. Wir verstehen uns als sehr niederschwellige Einrichtung bei palliativem Versorgungsbedarf. Unsere Türen stehen Betroffenen und Angehörigen offen; sie bekommen bei uns rasch und unkompliziert Antworten auf brennende Fragen – medizinisch, aber auch was Pflege oder die häusliche Versorgung angeht. Wir sind also eine multiprofessionelle Ambulanz, in der viele Berufsgruppen zusammenarbeiten, wie Medizin, Pflege, Sozialarbeit, Psychologie, Seelsorge, Physiotherapie und Ehrenamt.

Für wen ist das Angebot in erster Linie gedacht?
Für Menschen mit lebenslimitierenden Erkrankungen, wie beispielsweise Krebs oder COPD und Herzschwäche im Endstadium. Aber auch für Personen mit neurologischen Erkrankungen wie ALS oder fortgeschrittener Demenz – und Angehörige. Die An- und Zugehörigen als Zielgruppe sind uns ein besonders großes Anliegen, das diese häufig für Unterstützung und Beantwortung von Fragen rund um die Situation der Betroffenen sehr dankbar sind.

Wie wird die Ambulanz angenommen?
Sehr gut! Wenn Menschen auf den Stationen Palliativ oder Hospiz hören, gibt es oft Berührungsängste. Hinsichtlich der Ambulanz ist die Hemmschwelle niedriger, da geht man leichter und schneller einmal hin. Ich möchte das etwas salopp gesagt als „Palliativ to go“ ausdrücken –  man kommt, nimmt sich, was man braucht und geht am selben Tag wieder nach Hause.

Was sind die Hauptanliegen?
Sehr häufig ist es die Symptomlast, also etwa Schmerzen und/oder Übelkeit. Oft geht es auch um Fragen rund um die Sozialarbeit. Also: Wie geht es mit mir weiter? Welche Hilfe gibt es? Wie komme ich zu einem mobilen Palliativteam oder zu einer Hospizbegleitung? Auch Pflegeanträge sind immer wieder ein Thema. Und auch das psychologische Angebot und die Seelsorge werden sehr gut angenommen. Da ist es oft sinnvoll, ein Familiengespräch zu machen, bei dem auch zwei bis drei Berufsgruppen von uns beteiligt sind.

Wie geht es den Menschen, die in die Ambulanz kommen?
Manche sind in einem richtigen Nebel, weil sie die Diagnose eben erst bekommen haben. Das Leben wurde dadurch gerade völlig auf den Kopf gestellt. Da ist es wichtig, zunächst einmal ordnen zu helfen. Andere wissen bereits extrem viel über ihre Erkrankung. Unser vorrangiges Ziel ist es, Lebensqualität und Selbstständigkeit zu erhalten. Menschen kommen aber leider erst sehr spät in die Ambulanz, wenn es ihnen schon sehr schlecht geht, dann kann es auch sein, dass eine Aufnahme auf unsere Palliativstation oder in ein Hospiz von uns organisiert wird.

Welche Rolle spielen dabei die ehrenamtlichen Hospizbegleiter*innen?
Sie sind ein wichtiger Bestandteil und in alle unsere interdisziplinären Besprechungen involviert. Auf der Station haben sie genauso wie andere Berufsgruppen ihren Dienstplan. Wenn wir auf der Ambulanz Bedarf an Hospizbegleitung wahrnehmen, stellen wir die Verbindung zum Team im Haus her.

Welchen Wunsch haben Sie ganz generell für die Palliativversorgung?
Dass die Berührungsängste noch stärker abgebaut werden. Dass gerade auch mit solchen Ambulanzen Angebote rund um Palliativ und Hospiz leichter und niederschwelliger zu erreichen sind. Da liegt aber noch viel Aufklärungsarbeit vor uns. Es würde beispielsweise Diskussionsrunden brauchen, die für alle frei zugänglich sind und wo Fragen gestellt werden können. Es ist wichtig, dass alle, die in irgendeiner Form in diesem Bereich involviert sind, in Kontakt kommen.

Wie gelingt es, bei einem so fordernden Job den nötigen Abstand und Ausgleich zu finden?
Abstand ist ein gutes Wort. Der muss räumlich, zeitlich und emotional gelingen. Denn dann ist auch wieder Nähe möglich – und die ist wichtig, denn man muss berührbar bleiben. Man muss zulassen, ergriffen und traurig zu sein. Aber es ist genauso wichtig, dabei professionell handlungsfähig zu bleiben. Ich fühle, beobachte, spüre den anderen und sein Schicksal, kann aber trotzdem die Hand hinhalten und helfen. Man darf sich vom Leid nicht einsaugen lassen. Steigt man da zu tief ein, kommt es zu einer Enge. Dann bieten sich keine Möglichkeiten und Handlungsspielräume mehr. Ist jemand zu sehr in eine Patient*innen-Geschichte involviert, ist es sinnvoll, die betreuende Person abzulösen.

Wie schafft man diesen Spagat?
Das kann man lernen. Da muss man mit und an sich arbeiten. Da gibt es aber auch Supervision und gewisse hilfreiche Rituale. Etwa: Alles vom Körper abstreifen, bevor man nach Hause geht. Die Berufskleidung wechseln. Sich beobachten, ob einen etwas zu lange beschäftigt usw. Mir hilft auch sehr mein zweites Standbein als Manual- und Schmerztherapeutin. Und ich mache viel Bewegung in der Natur, koche gerne und verbringe so viel Zeit wie möglich mit meinen Kindern.

Wenn Sie es sich aussuchen könnten – wie würde Ihr persönliches Ende aussehen?
Zuerst möglichst lang, möglichst gut leben und dann im eigenen Bett gemütlich einschlafen. Bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung wünsche ich mir bestmögliche Palliativ- und Hospizbegleitung – und dass meine Familie da ist und mich begleitet.

(Johanna Vucak)

Magdalena Demuth im Wordrap

Meine Lieblingsspeise ist….gefüllte Paprika mit Tomatensauce und Reis
Niemals essen würde ich…..Weinbergschnecken und Kaninchen
Angst habe ich…. davor, dass ich nicht mehr liebgehabt werde
Herzhaft lachen kann ich…..zum Glück viel und oft
Auf eine einsame Insel gehe ich…… mit meinem Mann und meinen drei Kindern
Mein letzter Urlaub war…..ein Urlaub auf einem Bauernhof