Möglichkeiten zur Wahrung der Patientenautonomie
Immer wieder wird über das Selbstbestimmungsrecht der Menschen, besonders älterer und kranker, diskutiert. Auch die Angst ist groß, am Lebensende noch verschiedenen medizinischen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, die nicht das Leben, sondern das Leiden und Sterben verlängern.
Mit einer Patientenverfügung und/auch mit einer Vorsorgevollmacht kann man vorsorgen und selbst bestimmen, welche Behandlungen man nicht (mehr) haben will, wenn man nicht mehr selbst entscheiden kann – aus welchen Gründen immer.
Patientenverfügung
Die Patientenverfügung ist eine schriftliche Willenserklärung, mit der eine Person medizinische Behandlungen (z. B. ausschließlich lebensverlängernde Maßnahmen) ablehnen kann und die dann wirksam werden soll, wenn sie selbst zum Zeitpunkt der Behandlung nicht (mehr) entscheidungsfähig ist (z. B. durch Bewusstlosigkeit oder Demenz). Für Menschen, die Sorge haben, das Lebensende an Schläuchen hängend verbringen zu müssen, ist die Patientenverfügung eine Möglichkeit, dies durch Ablehnung bestimmter Behandlungen zu verhindern.
Grundvoraussetzung ist, dass
- Die Person urteils- und einsichtsfähig ist, d. h. sie muss in der Lage sein, Grund und Bedeutung einer abgelehnten Behandlung einzusehen.
- Die Person die Patientenverfügung persönlich errichtet.
- Die Errichtung freiwillig ohne Zwang, Irrtum oder Täuschung geschieht.
Angehörige haben grundsätzlich keine Entscheidungsbefugnis, das Ärzteteam kann jedoch den „mutmaßlichen Patientenwillen“ feststellen. Die Letztentscheidung treffen allerdings die Ärztinnen und Ärzte.
Die Bestimmungen zur Patientenverfügung wurden gesetzlich 2006 geregelt und mit Wirksamkeit vom 16. Jänner 2019 novelliert. Unterschieden werden die „verbindliche“ Patientenverfügung und die „beachtliche“ (oder „andere“) Patientenverfügung.
Die verbindliche Patientenverfügung
Die verbindliche Patientenverfügung erfordert eine umfassende ärztliche Aufklärung und muss vor einem/r Notar/in, Rechtsanwalt/-anwältin, der rechtskundigen Vertretung einer Patientenanwaltschaft oder bei einem Erwachsenenschutzverein erfolgen.
- Die Gültigkeit wurde von 5 auf 8 Jahre verlängert. Das gilt auch für schon bestehende verbindliche Patientenverfügungen.
- Die Erneuerung einer verbindlichen Patientenverfügung erfordert keine juristische Belehrung mehr, kann also nur mit einem Arzt oder einer Ärztin erfolgen.
- Kann eine Person eine Patientenverfügung nicht erneuern, weil sie nicht (mehr) entscheidungsfähig ist, behält sie trotz des Ablaufs von 8 Jahren ihre Verbindlichkeit.
- Eine Patientenverfügung verliert ihre Wirksamkeit, wenn sie nicht frei oder ernstlich zustande gekommen, wenn ihr Inhalt strafrechtlich nicht zulässig ist oder wenn sich der Stand der Medizin wesentlich geändert hat.
- In einer verbindlichen Patientenverfügung müssen die medizinischen Maßnahmen die abgelehnt werden, konkret beschrieben sein.
- Ärzte müssen sich in der Regel an diese Verfügungen halten.
- Eine Patientenverfügung kann von der Person die sie verfasst hat jederzeit widerrufen werden.
Zu bedenken ist, dass aufgrund der Unvorhersehbarkeit zukünftiger Situationen nicht alle möglichen Krankheitsverläufe abgesichert werden können und sich eine verbindliche Patientenverfügung auch gegen die aktuelle Interessenslage der Person richten kann. Eine verbindliche Patientenverfügung wird daher nur für einen kleinen Personenkreis sinnvoll sein.
Die beachtliche oder andere Patientenverfügung
- Umfassende ärztliche Aufklärung
- Eine Patientenverfügung ist bei der Ermittlung des Patientenwillens umso mehr zu berücksichtigen, je exakter der Zustand bzw. die abgelehnten Behandlungen beschrieben sind.
Dabei ist besonders zu berücksichtigen:
- wie weit die Person die Krankheitssituation und ihre Folgen einschätzen konnte
- wie konkret abgelehnte medizinischen Behandlungen beschrieben sind
- wie häufig die Patientenverfügung unterschrieben und mit dem aktuellen Datum versehen wurde. (Empfohlen wird, die PV im Zeitraum von ein bis zwei Jahren durchzulesen und bei neuerlicher Zustimmung das Formular mit Datum zu unterschreiben).
Jede Patientenverfügung ist der Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens zugrunde zu legen.
Eine Patientenverfügung hat keine Wirkung bei einer medizinischen Notfallversorgung – im Notfall wird immer zuerst Leben gerettet.
Wenn Personen im Verlauf einer schweren Krankheit nicht mehr in der Lage sind, ihren Willen zu äußern, können sie über den Krankheitszustand weder aufgeklärt werden, noch können sie sich für oder gegen eine Behandlung entscheiden. Bei diesen nichtentscheidungsfähigen Personen ist eine Patientenverfügung eine große Entscheidungshilfe für Ärztinnen und Ärzte.
Jede Patientenverfügung kann im Patientenverfügungsregister des Österreichischen Notariats oder der Österreichischen Rechtsanwälte registriert werden. Vorgesehen ist auch eine Speicherung der Patientenverfügung in ELGA.
Eine beachtliche Patentenverfügung verbunden mit einer Vorsorgevollmacht, ist eine gute Alternative zur verbindlichen Patientenverfügung.
Der Dachverband Hospiz Österreich hat ein Formular zur Errichtung einer Patientenverfügung herausgebracht, das österreichweit verwendet wird. Dieses Formular ist eingebettet in eine Broschüre, die Sie selbst downloaden oder als Printversion in unserem Hospizbüro anfordern können.
Es gibt auch die Informationen zur Patientenverfügung in einfacher Sprache.
Der Hospizverein Steiermark bietet Ihnen die Möglichkeit der kostenlosen medizinischen Beratung zur Errichtung einer Patientenverfügung bei Frau Dr.in Brigitte Hermann. Primaria Brigitte Hermann ist Fachärztin für Innere Medizin mit Spezialisierung in Palliativmedizin und Geriatrie, sie ist aber auch Ärztin für Allgemeinmedizin und hat Zusatzausbildungen in Notfallmedizin, Akupunktur und psychotherapeutischer Medizin.
Wir bitten Interessierte um Vereinbarung eines persönlichen Termins für das kostenlose medizinische Beratungsgespräch im Hospizbüro in Graz unter Tel. 0316/391570-0 oder per Mail an dasein@hospiz-stmk.at.
Vorsorgevollmacht
(Erwachsenenschutzgesetz vom 1. 8. 2018)
Eine Vorsorgevollmacht ist eine Vollmacht, die erst dann wirksam wird, wenn eine Person nicht entscheidungsfähig ist. Die Vorsorgevollmacht soll einer nahestehenden Person des Vertrauens und mit hoher Verantwortungskompetenz erteilt werden. Es ist auch möglich, sie zwei oder mehreren Personen zu erteilen (z. B. Angehörige, FreundInnen, Nachbarn usw.)
Die Entscheidung, welcher Person die Vollmacht erteilt wird, sollte gut überlegt sein. Grundsätzlich kann jede volljährige Person Vorsorgebevollmächtigte/Vorsorge- bevollmächtigter werden.
Ausnahme: Volljährige Personen, die selbst ihre Angelegenheiten nicht ausreichend besorgen können oder in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einer Einrichtung stehen, von der die Person betreut wird, (z. B. Pflegerin/Pfleger in einem Heim), können nicht vorsorgebevollmächtigt werden.
Die Vorsorgevollmacht kann nur von geschäftsfähigen Personen ausgestellt werden. Sie muss schriftlich und persönlich vor einem/r Notar/in, Rechtsanwalt/Rechtsanwältin oder bei einem Erwachsenenschutzverein errichtet werden. Sie wird erst dann wirksam, wenn der/die Vorsorgevollmachtgeber/in nicht mehr handlungsfähig ist. Dies muss von einem/r Mediziner/in festgestellt werden. Die Vorsorgevollmacht wird im Österr. Zentralen Vertretungsverzeichnis eingetragen. Ein Widerruf ist durch einen Notariatsakt möglich, ansonsten gilt sie lebenslänglich.
Eine Vorsorgevollmacht kann für verschiedene Belange erstellt werden:
- Vertretung vor Behörden und anderen Institutionen
- Aufenthalts- und Wohnungsangelegenheiten (z.B. Aufnahme in ein Pflegeheim)
- Vermögensangelegenheiten
- Gesundheitsangelegenheiten
In Gesundheitsangelegenheiten regelt die/der Vorsorgebevollmächtigte medizinische Angelegenheiten und spricht den Verzicht auf medizinische Behandlungen im Namen des/r Vollmachtgebers/in aus, wenn er/sie selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist. Der/die Bevollmächtigte ist auch berechtigt, die Wünsche einer vorhandenen Patientenverfügung durchzusetzen.
Wenn der/die Vollmachtgeber/in nicht mehr entscheidungsfähig ist, muss eine ärztliche Feststellung erfolgen, damit die Vollmacht wirksam werden kann.
Im Erwachsenenschutzgesetz vom 1. 8. 2018 (früher Sachwalterschaftsgesetz) sind auch jene Möglichkeiten geregelt, wenn Personen nicht rechtzeitig eine Vorsorgevollmacht verfasst haben.
Gewählte Erwachsenenvertretung
Wenn eine Person nicht mehr über die volle Entscheidungsfähigkeit zur Errichtung einer Vorsorgevollmacht verfügt, aber Bedeutung und Folgen einer Bevollmächtigung noch in Grundzügen verstehen kann (geminderte Entscheidungsfähigkeit), kann sie selbst aussuchen, wer sie vertreten soll.
Jede nahestehende erwachsene Person, zu der ein Vertrauensverhältnis besteht, kann die gewählte Erwachsenenvertretung übernehmen (z. B. Angehörige, FreundInnen, Nachbarn).
Gesetzliche Erwachsenenvertretung
Eine gesetzliche Erwachsenenvertretung kommt in Betracht, wenn eine erwachsene Person ihre Angelegenheiten aufgrund einer Erkrankung nicht mehr ohne Gefahr, sich selbst zu schaden, besorgen kann oder will. Sie ist auf nächste Angehörige beschränkt. Ist eine Einigung nicht möglich, kommt eine gerichtliche Erwachsenenvertretung in Frage.
Die gesetzliche Erwachsenenvertretung gilt für bestimmte Bereiche und endet automatisch nach drei Jahren. Soll sie verlängert werden, ist dies vor Ablauf der Frist zu beantragen.
Gerichtliche Erwachsenenvertretung
Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist die vierte und letzte Stufe der Vertretungsmöglichkeiten. Sie ersetzt die bisherige Sachwalterschaft. Vorrangig sollen auch hier selbstgewählte Personen zum Zug kommen. Sind solche nicht vorhanden, können Erwachsenenschutzvereine als gerichtliche Erwachsenenvertreter bestellt werden. Ist dies nicht möglich, sind RechtsanwältInnen oder NotarInnen zu bestellen.
(Mag. Paula Glaser, MA)
Stand: Jänner 2025