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„Beim Zuhören öffene ich mich völlig für den Anderen“

Susanne Buchner-Sabathy ist seit einem Jahr Hospizbegleiterin im Hospizteam Hartberg. Susanne ist blind. Zuhören spielt in ihrem Dasein bis zuletzt eine ganz besondere Rolle – sie nennt es ein ganzkörperliches Aufmachen, ein Bereitsein, ein Warten. Aber auch wenn Susanne von sich und ihrem Leben erzählt, bekommt das Zuhören eine besondere Dimension.

Ablegen, hinsetzen, bestellen – alles im Griff. Und so war und ist das eigentlich immer im Leben der 62-Jährigen, die von Geburt an schwer sehbehindert war und um das 40. Lebensjahr völlig erblindet ist. Mit 60 Jahren hat sich Susanne sogar dazu entschlossen, ein Hospizgrundseminar zu machen und ist jetzt bereits seit einem Jahr Ehrenamtliche im Team Hartberg. Von den Nebentischen drehen sich Köpfe her – und auch rasch wieder weg. Susanne hat ihr Hände links und rechts von der kleinen Kaffeetasse auf den Tisch gelegt und erzählt: „Der Gedanke mit der Hospizbegleitung hat mich immer schon beschäftigt. Aber ich habe es mir einfach nicht zugetraut. Bis zu dem Tag, als ich eine Hospizbegleiterin kennengelernt und mich mit ihr angefreundet habe. Eines Tages hat sie mich angeschrieben und auf ein Hospizgrundseminar hingewiesen. Und dann habe ich es einfach gemacht.“

Hospizbegleiterin Susanne Buchner-Sabathy         (Fotocredit: Ursula Müller)

Der Wunsch zu begleiten sei übrigens von Anfang an dagewesen, lediglich die Angst, es nicht zu schaffen, hätte sie zunächst gebremst. Die sei allerdings während des Praktikums rasch verflogen. „Das war absolut ermutigend für mich“, erinnert sich die Ehrenamtliche und erzählt, dass sie sich immer wieder mit Fragen wie „Sehe ich Gesichtsausdrücke? Sehe ich Gesten? Nein, die sehe ich nicht!“ beschäftigt hat. Rasch habe sie aber gelernt, Stimmungen anders wahrzunehmen: „Durch intensives Zuhören, durch den Stimmklang, über den Atem, die Atemgeschwindigkeit, über die Intonation.“ Damit war klar: „Ich traue es mir zu.“ Und mit den ersten guten Erfahrungen, war für Susanne der Eintritt ins Team Hartberg klar. Mittlerweile sieht sie ihre Blindheit sogar als Türöffner. Denn: „Es entsteht eine schnelle Verbindung mit den Menschen. Wir teilen etwas. Wir haben beide eine Verlusterfahrung – das wird offen angesprochen und schafft Raum.“

Susanne greift nach ihrem Handy, „schaut“ auf die Uhr. Hält den Kopf ganz gerade, schweigt kurz und meint dann mit sanfter Stimme: „Es bedeutet für mich eine große Ehre, dass ich Begleitungen machen darf. Dass Menschen mich an sie heranlassen. Dass sie mir etwas mitteilen, womit sie sich selber schwertun. Ja, es ist etwas Besonderes, wenn jemand eine Begleitung zulässt.“

Sie nippt am Espresso, stellt die Tasse mit vorsichtiger, aber sicherer Bewegung wieder zurück auf den Tisch. Und meint: „Eine begleitete Person erfindet sich neu. Sie zeigt mitunter Facetten, die bis dato noch nie hochkommen durften. Das ist spannend, das ist eine Ehre. Aber es ist auch eine schmerzliche Situation.“

Susanne weiß, wovon sie spricht: „Ich habe mir sehr schwer damit getan, meine Behinderung zu akzeptieren. Ich wollte nicht, dass es mir jemand anmerkt. Heute ist das anders – trotz allem bekomme ich nämlich ganz viel vom Leben. Und da gehören die Begleitungen nun auch dazu. Dieses Dasein, dieses Zuhören ist etwas so unglaublich Authentisches, Verlässliches, ein Kontakt mit etwas, das zentral im Menschen ist, das echt ist – das ist wertvoll, das strahlt für mich.“ Dann strahlt auch sie. Das Gesicht wirkt jugendlich, fast kindlich freudig. „Zuhören ist eine Haltung“, sagt Susanne dann. Und setzt mit beeindruckender Rhetorik nach: „Beim Zuhören werde ich ganz ruhig. Das Tagesaktuelle rückt in den Hintergrund. Es geht etwas auf – nicht nur die Ohren. Es ist ein ganzkörperliches Aufmachen, ein Bereitsein, ein Warten. Und außerdem – ein Gespräch besteht ja nicht nur aus Worten. Es kann auch Schweigephasen haben. Wie ein Musikstück, vollkommen im Rhythmus von Klang und Stille.“ Wieder kurzes Schweigen. Dann: „Ich bin ein Glückspilz. Ich habe ein glückliches Leben – einen Mann, ein Haus, einen Garten, ich spiele Klavier.“ Sie bricht abrupt ab, atmet tief ein und setzt fort: „Was ich allerdings bedauere, ist, dass ich das Lächeln meines Mannes nicht mehr sehen kann. Vor 30 Jahren, konnte ich seine schöne Mimik noch schattenhaft wahrnehmen. Und auch die Sterne hätte ich gerne einmal gesehen.“

Johanna Vucak

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